Interview: „Demokratie muss unterschiedliche Meinungen zulassen“

Bundestagswahl: Im Interview mit unserer Zeitung bekennen alle Kandidaten der aussichtsreichsten Parteien für die Bundestagswahl Farbe – Diana Zimmer von der AfD warnt vor Übertreibungen beim Klimaschutz und plädiert für Steuererleichterungen statt Mindestlöhnen.

Mühlacker Tagblatt_Interview

 

Haben Ihnen die jüngsten Katastrophen die Augen für das Thema Klimawandel geöffnet?

Die AfD hatte immer schon ein Auge auf dem Thema Umweltschutz. Es muss jedoch klar zwischen den Begriffen Klimaschutz und Umweltschutz differenziert werden. Ich vertrete die Meinung, dass der Klimawandel nicht ausschließlich menschengemacht ist. Es gab schon immer Klimaschwankungen. Mensch kann das Klima nur in bedingtem Maße beeinflussen- die Umwelt jedoch schon.

 

Dennoch ist Klimapolitik eines der ganz großen Themen. Wie drastisch darf sie jetzt sein ?

Wir müssen auf einen gesunden Mix setzen und dürfen nicht alles dem Klimaschutz unterwerfen. Wir retten nicht die Welt, indem wir die Bürger immer mehr zur Kasse bitten. In den Diskussionen wird oft übersehen, dass Deutschland nur zwei Prozent zum globalen CO2-Ausstoß beisteuert. Bei uns werden Kohlekraftwerke konsequent abgeschaltet, während in China immer neue in Betrieb gehen. Ich bin der Überzeugung, dass man Klimapolitik global betrachten muss und nicht angesichts einzelner Katastrophen, so schlimm sie auch sind, übers Ziel hinausschießen darf.

 

Welche Welt wollen Sie jungen Menschen hinterlassen ?

Ich bin in die Politik gegangen, weil ich mir genau diese Frage gestellt habe. Ich möchte etwas dazu beitragen, dass wir in Freiheit leben können. Demokratie muss unterschiedliche Meinungen zulassen, für mich ist geistige Freiheit ein Fundament des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Meine Eltern sind Aussiedler, sie sind in einem System großgeworden, in dem es nur eine Partei, eine Meinung gab. Das ist nicht das, was ich mir für mein Leben und das Leben anderer in diesem Land wünsche.

 

Freiheitsrechte werden in Afghanistan mit den Füßen getreten. Wie sollte der Westen damit umgehen ?

Die Bilder, die uns erreichen, sind schrecklich. Sie sind aber auch das Ergebnis sämtlicher Entwicklungen seit den 80er-Jahren, als die damalige Sowjetunion durch den Einmarsch in Afghanistan ihre territorialen Grenzen erweitern wollte. Das heißt, hier spielen viele miteinander verwobene Ereignisse einher, die das Verständnis der ganzen Lage umso schwieriger machen.
Jetzt wird immer wieder die Forderung in den Ring geworfen, Deutschland müsse mehr Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen. Dabei wird übersehen, dass weltweit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Die westlichen Staaten können diese Menschen nicht alle aufnehmen. Das ist unmöglich und wird bei allem Respekt auch niemals funktionieren.  Laut UN haben zunächst Nachbarländer der Krisenregionen primär die Verpflichtung, diesen Menschen Schutz zu bieten. Wir sollten eher diejenigen aufnehmen, die unseren speziellen Schutz benötigen, damit meine ich unter anderem die Ortskräfte, die für die Bundeswehr gearbeitet haben.

 

Die Gesellschaft driftet nicht nur in der Flüchtlingsfrage immer weiter auseinander. Was sind die Ursachen, wie wollen Sie Querdenker und Extremisten wieder einfangen ?

Ich spüre auch ein Auseinanderdriften, der entscheidende Startpunkt war für mich die Flüchtlingswelle 2015, mit der Corona-Pandemie erleben wir die zweite Phase der Polarisierung oder Zuspitzung. Es fällt vielen Menschen immer schwerer, andere Meinungen zu tolerieren oder auch die eigene offen zu formulieren. Auch wenn die AfD vielleicht etwas außerhalb vom Mainstreams ist, sind wir keine Partei der Extrempositionen. Mir liegt wirklich sehr viel an Pluralität und Meinungsfreiheit.
Sie haben gefragt, wie man Querdenker und Extremisten einfängt. Wir sollten uns viel mehr fragen, warum die Menschen so geworden sind. Unter ihnen gibt es alle Facetten politischer Weltanschauungen. Unter dem Strich sind das unzufriedene Bürger. Wenn wir den Ursprung verstehen, dann können wir auch so agieren, dass wir die Menschen wieder in unsere Mitte holen – oder, wie Sie es nennen, „einfangen“.

 

Die AfD hat auch viele Facetten. Höcke oder Meuthen – für wen würden Sie sich entscheiden ?

Jede Persönlichkeit steht für sich alleine. Übrigens gibt es in der CDU auch unterschiedliche Strömungen – von der Werteunion bis zum arbeitnehmerfreundlichen Flügel. Die zoffen sich aber eher intern.
Was Björn Höcke betrifft: Er ist ein Landespolitiker in Thüringen, der versucht seine politischen Positionen auf seine Art voranzubringen, was genauso für Jörg Meuthen gilt, der dies auf anderem Wege mit abweichenderen Positionen tut. Beide finden Gehör- und das ist auch gut so.
Ich folge am Ende nur mir selbst und meiner eigenen Überzeugung sowie dem Grundsatzprogramm.

 

Die Pandemie-Politik erweckt zunehmend den Anschein, als würde sie immer erst reagieren, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Haben wir nichts gelernt aus den vergangenen anderthalb Jahren ?

Wir hatten so viel Zeit, uns auf Entwicklungen vorzubereiten, geschehen ist wenig. Wir machen uns Sorgen um den Nachwuchs, aber die Schulen sind unzureichend auf die Zeit nach den Ferien vorbereitet. Wir reden von Corona-Folgen – und produzieren gleichzeitig immer mehr Folgeschäden. Der Corona-Politik und den am Hebel sitzenden Verantwortlichen fehlen Weitsicht und Entschlussfreudigkeit. Die Reaktionszeit ist leider oftmals zu lang, obwohl die Kapazitäten bei unserem großen Staatsapparat eigentlich doch vorhanden sein müssten. Außerdem wäre es hilfreicher, wenn so mancher Politiker nicht vorschnelle Versprechen machen würde, um einen Tag später zurückzurudern. Das trägt extrem zur Verdrossenheit bei den Bürgern bei. Es ist schlichtweg unglaubwürdig. Die Politik hat ihnen gegenüber doch eine Verantwortung und eine Fürsorgepflicht. Das haben manche Abgeordnete scheinbar leider vergessen, weil sie den Bezug zum wahren Leben und den wahren Sorgen der Menschen verloren haben.

 

Apropos „Wahres Leben“: Verstehen Sie Menschen, die verbittert sind, wenn ihre harte Arbeit nicht ausreicht und sie Stütze vom Amt beziehen müssen ?

Absolut. Ich höre immer öfter, dass sich Arbeit nicht lohnt. Das ist eine schlimme Entwicklung, die zeitnah ihre Endstation finden muss. Arbeit und Anstrengung muss entsprechend belohnt werden.

 

Also 13 Euro Mindestlohn?

Das wäre ein direkter Eingriff ins aktive Marktgeschehen. Ich halte von solchen Eingriffen nichts und würde deshalb in diesem Zusammenhang das Thema Mindestlohn ganz nach hinten schieben.

 

Wo sollte ihrer Meinung nach der Staat aufhören und das freie Spiel der Kräfte anfangen?

Bleiben wir beim derzeitigen Mindestlohn und der Tatsache, dass viele Menschen, trotz harter Arbeit nicht genug verdienen. Wir müssen an anderen Stellschrauben als dem Mindestlohn drehen. Damit meine ich Steuererleichterungen, die es ermöglichen, dass jeder Mensch seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann und vorsorgen kann. Es darf nicht sein, dass beispielsweise vorhandene Substanz bzw. Eigentum mehrfach besteuert wird. Deshalb gehört u.a. die Erbschaftssteuer abgeschafft. Und auch die Grundsteuer. Sie ist nichts anderes als eine indirekte, unfaire Vermögenssteuer. Ebenso wenig dürfen Erträge aus Rentenversicherungen steuerpflichtig sein. Die Menschen brauchen Sicherheit für ihr Alter und sollen diese Sicherheit erleichtert aufbauen dürfen. Gleichzeitig sollte sofort Schluss sein mit der Abzocke beim Strom, dem Öl und den Spritpreisen. Wir sollten nicht versuchen die ganze Welt retten, sondern unsere Bürger entlasten.

 

In kurzen Sätzen: Wie sieht Deutschland 2025 aus ?

Ein freies Land mit glücklichen Menschen, eine führende Technologienation mit funktionierenden Schlüsselindustrien.

 

Machen Sie sich Sorgen um ihre eigene Zukunft ?

Ich habe das Gefühl, früher hatten die Menschen mehr Planungssicherheit, jetzt geht es mir so wie vielen anderen auch: Ich weiß nicht, was tatsächlich als Nächstes kommt. Ist diese Ungewissheit Angst ? Gute Frage. Ich würde es keineswegs als Angst beschreiben. Es ist vielmehr eine Unsicherheit, mit der wir alle neuerdings umgehen müssen. Unsicherheit ist demnach auch gut mit Sorgen zu verbinden.

 

Welche drei Themen sind entscheidend für die Bundestagswahl ?

Auf Platz eins rangiert sicher die Coronapolitik. Eigentlich würden Wirtschaftsthemen auf Platz zwei gehören. Aber ihnen fehlt die mediale Präsenz. Deshalb glaube ich, dass die Themen Afghanistan und Sicherheit im Zusammenhang mit Migration und Integration noch weiter an Gewicht gewinnen. Und natürlich spielt die Steuer- und Finanzpolitik eine große Rolle bei der Entscheidung der Wähler, wem sie am 26. September ihre Stimmen geben.

 

Bislang habe wir über Inhalte geredet. Es gibt aber noch andere Seiten des Wahlkampfs: Plagiatsvorwürfe und Schlagzeilen um Personen – verkommt der Wahlkampf zur Soap-Opera ?

Leider ja, weil wichtige Themen in den Hintergrund rücken. Das ärgert mich. Jede Partei hat ihre Daseinsberechtigung. Schlammschlachten sind völlig irrelevant und bringen uns nicht wirklich weiter.

 

Manipulationen über Soziale Medien und Fake-News haben schon Brexit-Voten und US-Wahlen entschieden. Was haben Sie aus den Skandalen rund um Cambridge Analytica gelernt ?

Ich vertraue darauf, dass der Bürger Nachrichten lesen, bewerten und sich eine eigene Meinung auf der Basis fundierter Fakten bilden kann. Er sollte Fake-News als solche erkennen. Deshalb halte ich nichts vom Netzwerkdurchsuchungsgesetz. Es ist ein Zensurgesetz und könnte auch dazu dienen, echte Nachrichten einzuschränken.

 

Welche Menschen wollen Sie bis zum 26. September gezielt ansprechen ?

Ich bin als Person eher dezent. Ich biete allen Bürgern an, mit mir zu sprechen. Die AfD bietet auch für alle etwas. Ich sehe mich in der Politik als ein neues, frisches Gesicht und würde mir wünschen, wenn die Menschen mir ihr Vertrauen schenken und ich mein Können unter Beweis stellen kann.

 

Die AfD hat nur zwölf Listenplätze, bei denen Sie nicht vertreten sind. Insofern dürfte ihr Wunsch vom Einzug in den Bundestag nicht in Erfüllung gehen . . .

Bei der Urwahl zur Landesliste in Baden-Württemberg haben wir uns tatsächlich aus etwaigen Gründen auf „nur“ 12 Listenplätze beschränkt. Noch steht alles offen: Ich bin schließlich Direktkandidatin in Pforzheim und im Enzkreis, sodass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Einzug trotzdem besteht. Demnach ist für diese Wahl auch noch nichts auszuschließen.

 

 

Diana Zimmer persönlich

Diana Zimmer ist 23 Jahre alt, arbeitet als Finanzassistentin und studiert neben ihrem Beruf Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Politikwissenschaft. Sie ist Gemeinderätin in Pforzheim und Vorstandsmitglied mit AfD-Kreisverband. Der AfD ist mit 18 Jahren Anfang 2017 beigetreten. „An der Fritz-Erler-Schule habe ich mich schon früh mit Wirtschaftsthemen und kritisch mit der Euro-Finanzpolitik auseinandergesetzt“, erzählt Zimmer, wie sie auf die AfD aufmerksam geworden ist. Und dann kam die Flüchtlingskrise: „Ich habe als junge Frau die Auswirkungen deutlich gespürt“, berichtet die Kandidatin, warum die AfD ihre politische Heimat geworden ist.
Über sich selbst sagt sie: „Ich liebe Sport – Volleyball und Ausdauersport. Beim Joggen kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Außerdem lese und reise ich gerne. Ich will immer etwas Neues entdecken, bin wissbegierig und offen.“ Ferner sei sie aufrichtig und habe stets ein offenes Ohr für ihre Mitmenschen. Ihr Sternzeichen ist Krebs. „Das passt gut“, findet Zimmer. „Denn auch wenn ich gerne auf Reisen bin und neue Eindrücke sammele, bin ich doch sehr heimatverbunden. Mein Zuhause ist meine Burg. Was – neben der Politik – ihre persönliche Zukunftsplanung betrifft, sagt sie: „Ich liebe Kinder. Ich möchte einmal eine große Familie haben.“ 

 

Quelle: https://www.muehlacker-tagblatt.de/Muehlacker/Demokratie-muss-unterschiedliche-Meinungen-zulassen-158948.html